Jahresbericht – Tiroler Herzverband 2020

Die durch SARS-CoV-2 verursachte Pandemie hat den Österreichischen Herzverband Landesverband Tirol vor unerwartete Herausforderungen gestellt, die im Rückblick – mit immensem Mehraufwand und so gut es unter den gegebenen Bedingungen möglich war – gemeistert werden konnten. Ich will dies im Detail ausführen:

  • Unsere Mitglieder gehören klar zur COVID-19 Risikogruppe, was durch zahlreiche Untersuchungen belegt werden kann. Sie haben eine kardiovaskuläre Vorerkrankung, die oft in einem gut kontrollierten chronifizierten Status ansiedelt, haben zusätzliche Risikofaktoren wie z.B. Diabetes II bzw. „Altersdiabetes“ oder chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD), und sind in der Überzahl fortgeschrittenen Alters. Es gehört zu den zentralen Aufgaben des ÖHV, für diese Personen im Sinne von Selbsthilfe und eigener Gesundheitsverantwortung Hilfe zu stellen. Das erforderte in der von COVID-19 dominierten Zeit neue Ausrichtungen und Anpassungen, was mit zusätzlichem Arbeitsaufwand einhergeht.
  • Herzsport gehört im Sinne sportkardiologischer und kardiorehabilitativer Richtlinien zu den zentralen Aufgaben des ÖHV. Zudem stärken diese Maßnehmen, die auf das individuelle Fitness- und Pathologieprofil des einzelnen abgestimmt sind, das Immunsystem. Das ist gerade in von Epi-und Pandemien geprägten Zeiten selbstredend von hoher Bedeutung und versucht, insbesondere bei unserer Klientel, der altersbedingten Schwächung natürlicher Immunabwehr entgegen zu wirken. Es ist durch zahlreiche Studien nachgewiesen, dass hier Nachhaltigkeit von entscheidender Bedeutung ist und mit der Trias „compliance – adherence – effectiveness“ einhergeht. Wir haben unter strenger Berücksichtigung der gesundheitspolitischen Auflagen alle Anstrengung unternommen, diese ÖHV-Programme in angepasster Form so durchzuführen, dass es möglichst zu keinem Bruch in gesundheitserhaltenden sportkardiologischen Maßnahmen unserer Mitglieder kam und kommt. Hier war zusätzlich zum infrastrukturellen Mehraufwand (z.B. Kleinstgruppen oder Support für Gesundheitsarbeit zu Hause) auch sehr viel an individueller Informationsarbeit zu leisten.
  • Psychische Unterstützung unserer Mitglieder zählt ebenso zu den zentralen Aufgaben des ÖHV. Die hat zum einen – im Sinne der Weltgesundheitsorganisation – mit der Förderung und Erhaltung von Lebensqualität zu tun, das hängt zum anderen aber auch damit zusammen, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen psychischen und kardiovaskulären Erkrankungen (z.B. Depression und Myokardinfarkt) gibt, was auf kausale Wechselwirkungen schließen lässt. Psychopathologische Forschung zeigt global ein deutliches Ansteigen mentaler und affektiver Problematiken, die mit COVID-19 und assoziierten Maßnahmen in Verbindung stehen, so zum Beispiel spezifische und generalisierende Ängste, Depression und Suizidneigung, Zwangsverhalten und Schlafstörungen. Wir haben im ÖHV Tirol seit Ausbruch der COVID-19 Pandemie mit hohem personellem und infrastrukturellem Aufwand versucht, psychisch stabilisierend zu wirken und damit auch negativen Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem vorzubeugen sowie unseren Mitgliedern klar zu machen, dass COVID-19 kein Grund sein darf, kardiologisch notwendige Interventionen zu verschieben oder zu verschleppen, aus Angst, man könne sich infizieren. Hier hatten und haben wir den Vorteil, dass Tirol ein hervorragendes medizinisches System besitzt, in dem bester Umgang mit Polymorbiditäten und komplexen Risikoprofilen zur Routine gehört.
  • Es ist auch in Österreich kein Geheimnis, dass Einsamkeit im Alter ein großes menschliches und sozialethisches Problem darstellt. Einsamkeit ist zudem mit höherer Anfälligkeit für psychische Erkrankungen verbunden und zieht damit auch ein höheres kardiovaskuläres und immunologisches Risiko nach sich. Der ÖHV ist seit jeher auch Kommunikationspartner für Personen mit Tendenz zur sozialen Isolation. Im Zuge von Lockdown und epidemiologisch motivierten sozialkommunikativen Restriktionen flammte dieses Problem immens auf und der Anspruch an psychischer Hilfe, vor allem über einer Fülle von Telefongesprächen, stieg enorm und war für die Leistungsträger im ÖHV Tirol eine enorme Zusatzbeanspruchung, der allerdings effizient begegnet werden konnte.
  • Es ist international bekannt, das der dominante Fokus auf COVID-19 bei vielen Patientengruppen mit schwerer chronischer Erkrankung zum subjektiven Gefühl des „in Vergessenheit Geratens“ geführt hat und führt – der Präsident des ÖHV, zum Beispiel, ist dazu an Untersuchungen im psycho-onkologischen Bereich beteiligt. Es war eine neue und virulente Aufgabe des ÖHV Tirol hier klar zu zeigen, dass die COVID-19 Pandemie bzw. die Corona-Politik in keiner Weise von kardiovaskulären Erkrankungen und schon gar nicht von den Erkrankten selbst ablenkt. Zusätzlich zu den persönlichen Gesprächen ist hier besonders auch das Herzjournal zu nennen, das als Printmedium nicht nur gesundheitsrelevante Information für Herzpatienten verständlich aufbereitet, sondern auch ein soziales Medium ist, das Stabilität und soziale Eingebundenheit vermittelt. Die Arbeit am Herzjournal ging auch in der Corona-Zeit lückenlos weiter.
  • Das COVID-19-Jahr 2020 wurde zu einer Zeit, in der vielfach das Internet die spürbare Kommunikation mit der Außenwelt darstellte und darstellt. Ich bin für die Website des ÖHV zuständig, die eine sehr hohe Zugriffsquote hat, (ca. 20.000 monatlich) wobei wir wissen, dass es sich hier nicht um Sekunden-Klicks handelt, sondern dass Besucher in der Regel länger verbleiben. Das hat (vermutlich) wesentlich damit zu tun, dass hier immer wieder aktuelle Themen für Herzpatienten umsetzbar vermittelt werden und damit Kompetenz zur individuellen Gesundheitsförderung gesteigert wird. Diese Arbeit ist äußerst zeitintensiv und mit einem hohen Kostenaufwand verbunden.
  • Der ÖHV bemüht sich seit langem, mit den jeweils aktuellen Ergebnissen aus relevanter Präventions- und Rehabilitationsmedizin im Einklang zu sein und daraus Verhaltensmaßnahmen abzuleiten, die eine effiziente Herz-Selbsthilfegruppe ausmachen. Dies ist mit einschlägiger Forschung (z.B. Pilotstudien oder Meta-Synthesen) verbunden. Die COVID-19 Pandemie hat eine neue Dimension in diesen Bereich gebracht, der auch für künftige epi- und pandemische Dynamiken von Relevanz ist. Kurz: Neue Herausforderungen in der Gesundheitsszene betreffen nicht nur den professionellen Bereich von Medizin und Public Health, sondern auch den Anspruch von Selbsthilfemaßnahmen. Hier ist strenge Orientierung an aktuellen wissenschaftlichen Standards unabdingbares Gebot. Das führt – ähnlich wie in der Medizinforschung – zu einem hohen Anspruch an Kooperation und Entwicklung von Interventionsmethodik. Wir sehen hier die ganzheitliche Gesundheitsversorgung in Tirol aus der Perspektive systemischer Medizin, in der Ärzte, Therapeuten, Patienten, Selbsthilfe und Lebensumfeld komplementär zusammenspielen. Dass dies unter neuen Bedingungen, wie sie durch COVID-19 gegeben sind, zusätzliche Arbeit mit sich bringt, liegt auf der Hand.

Ich hoffe, dass ich mit diesen Ausführungen klar machen konnte, dass die COVID-19-Zeit zu keinem Stillstand im ÖHV Landesverband Tirol geführt hat, sondern ganz im Gegenteil ein hohes Maß an Mehrbelastung nach sich gezogen hat. Für die eigenverantwortliche Gesundheitsförderung unserer Mitglieder auch unter besonders schwierigen Bedingungen wie einer viralen Pandemie, verantwortungsvoll da zu sein, war und ist Auftrag, dem wir uns ohne Abstriche stellen.

Mit herzlichen Grüßen

Roland Weißsteiner
Präsident vom Tiroler Herzverband